Der Parthenspatz und die komischen Vögel am Laternenmast

Also, das hätte schiefgehen können. Wenn ich so durch mein Borsdorf flattere, kann ich das ja zumeist (beinahe) blind tun. Schließlich bin ich als Spatz viel unterwegs und kenne meine Flugkorridore. Und dann sowas: Entlang der Leipziger Straße, meiner Lieblingseinflugschneise, versperren mir neuerdings allerlei Tafeln den Weg; an manchen Laternenmasten sind es gleich drei Stück übereinander. Als ich heute früh vom nächtlichen Rumspatzeln noch ein wenig trieselig war, hab ich so eine Pappe  gestreift, die Richtung verloren und wäre beinahe gegen einen Lkw geflogen. Puuuh. Da half auch alles Geschimpfe nichts.

Mein Schreiberling hat mir erklärt, dass das Wahlplakate sind und dass die deshalb den Ort verschandeln, weil am 1. September der neue Landtag gewählt wird. Das hat mich weniger interessiert, denn ich weiß nicht, was ein Landtag ist. Aber was die Pappen darstellen sollen, habe ich meinen Schreiberling gefragt. Der hat mir das erklärt. Es gibt Leute, die „Kandidaten“ heißen und in diesen Landtag wollen, weil sie da wichtig sind und gut bezahlt werden. Und vor der Wahl wollen sich diese Leute einkratzen, damit sie gewählt werden. Das hab ich verstanden, das ist wie bei uns Spatzen die Balz. Diese Menschen haben komische Sitten, die Balzen mit einer Pappe. Mein Schreiberling grinste, als ich ihm das gezwitschert habe, und sagte, dass es da noch einen wesentlichen Unterschied gibt. „Wenn es bei Euch Spatzen mit der Balz geklappt habt, bleibt ihr auf Dauer zusammen. Wenn bei uns die Wahl vorbei ist, sind die meisten Kandidaten erstmal für ein paar Jahre verschwunden, bis die nächste Wahl ansteht.“ Die spinnen, diese Menschen … ich darf das sagen, denn ich bin ja nur ein Spatz.

Aber das mit den balzenden Kandidaten hat mich neugierig gemacht und so habe ich mir diese spatzengefährdenden Wahlplakate mal näher angeschaut. Was da für Zeug rumhängt. Ich versteh‘ das ja nicht alles, muss ich auch nicht, denn ich bin ja nur ein Spatz. Aber ich habe festgestellt, dass es von diesen Pappen zwei Arten gibt. Das ist wie bei uns Spatzen, allerdings ist unsere Familie größer, wir sind immerhin 43 Arten. Soviel zu uns, nun zu den Pappen. Die eine Sorte zeigt Bilder von Leuten, die gewählt werden wollen. Wobei, so wie einige gucken, glaube ich das nicht wirklich. Eine Frau schaut recht nett in die Landschaft und sagt, dass sie dynamisch sei, dann ist da noch ein Mann, der behauptet, dass ihm das Herz blute. Und dann noch einer, der sich darüber zu freuen scheint, dass er so frei ist, dort am Mast zu hängen. Und einer, der sieht grimmig aus und sagt „Jetzt erst recht“. Und eine freundlich lächelnde Frau, die zugibt, dass sie blau ist. Seltsam. Ein anderer verspricht 1.000 neue Polizisten und sieht ein wenig pumuckelig aus. Ach ja, und dann gibt es noch einen, der sieht aus wie ein Chorknabe, der angestrengt guckt, damit er älter aussieht. Mein Schreiberling sagt, dass das davon komme, dass er ständig einen Küchentisch mit sich rumträgt. Das verstehe ich nicht, aber ich bin ja auch nur ein Spatz.

Ach ja, und es gibt dann noch die zweite Sorte von Plakaten. Da guckt niemand, da steht nur was drauf. Komische Sachen sind das, auf dem einen steht „Freiheit für Dein Internet“, auf dem anderen sind irgendwelche Worte ganz groß geschrieben und zerhackt, so in der Art „Spe – rling – ssch – warm“, aber mit anderem Text. Richtig schön fand ich die Sprüche auf den Balzpappen einer anderen Familie. „Wenn Dir Deine Heimat gefällt, mach sie schöner“ und „Freie Fahrt für freie Bits“ und so. Aber die haben das in so komischen Farben geschrieben, das zwickte in meinen Augen. Und irgendjemand will gewählt werden, der heißt „Streetfood Festival auf dem Grimmaer Markt“. Aber das habe nichts mit der Wahl zu tun, sagt mein Schreiberling. Schade, die würde ich wählen, Streetfood mag ich, denn ich bin ja ein Spatz. 

Und dann mir mein Schreiberling noch erzählt, dass eigentlich alle von diesen Kandidaten wissen, dass ihre Balzpappen vollkommener Unfug sind. „Das ist so was wie die Sitte, zu Silvester die bösen Geister zu vertreiben. Es bringt nichts und alle wissen das und trotzdem wird dafür eine Menge Geld ausgegeben.“ Und dann hat er mir noch zwei Sachen gesagt. Ich soll mal über einen Ausspruch eines Mannes nachdenken, der wohl Otto von Bismarck hieß und irgendwann lebte, als es noch Drachen gab. Dieser Mann hat wohl gesagt: „Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, im Krieg und nach der Jagd.“ Das verstehe ich nicht, aber ich bin ja auch nur ein Spatz. Und dann hat mein Schreiberling mir gesagt, dass ich mir mal in diesem Internetz etwas anschauen soll. Das heißt wohl Juutjuub und da gibt es eine Frau Freudenberg, die etwas über Wahlen singt. Ich bin da ja skeptisch, für mich ist dieses Internetz ja noch Neuland. Aber vielleicht hören Sie sich dieses Lied von der Frau Freudenberg mal an und zwitschern mir dann zu, was es damit auf sich hat.   ps

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